Fraueziit – ein Schutzraum für obdachlose Frauen

Bericht von Hanna Habegger, Mitarbeiterin bei Fraueziit

Alle Personen in diesem Bericht werden mit geänderten Namen genannt. Die Fotos bilden nicht die vorgestellten Frauen ab.

Wenn in der Sunestube, einem Gassenlokal an der Ecke Militärstrasse/ Langstrasse Vorhänge an den Fenstern hängen, dann ist «Fraueziit». Die Tische sind hübsch geschmückt und aus der Küche duftet es bereits nach dem Mittagessen. Punkt 12 Uhr werden die Türen geöffnet und einige Frauen warten bereits draussen. Einige nehmen ihre Plätze ruhig und schüchtern ein, andere begrüssen sich erzählen gleich von ihren Sorgen und Freuden.

Wer sind die Frauen, die das Angebot nutzen? Im Folgenden möchte ich vier von ihnen vorstellen.

Carina kommt jeden Montag zur Fraueziit und bleibt jeweils mehrere Stunden. Sie pflegt wenig Bekanntschaften und erlebt die Einsamkeit belastend. Oft sitzt sie nur da und freut sich, wenn man Zeit für sie hat. Das Essen steht für sie im Zentrum. «Essen kann ich nur in Gemeinschaft», meint sie. «Darum esse ich zu Hause kaum etwas und dafür hier umso mehr.» Im Sommer feiern wir ihren Geburtstag. Sie freut sich riesig, aber es fliessen auch viele Tränen. In ihrer Familie musste sie in den vergangenen Jahren so manchen Todesfall verschmerzen, das kommt in der Gemeinschaft alles hoch und muss verarbeitet werden. «Ohne die Fraueziit hätte ich die letzten Wochen nicht überlebt», ist ihr Fazit nach einem halben Jahr. Carina ist über die Fraueziit und durch das Vertrauen, das sie zu mir aufbauen konnte, zum Netz4 gekommen. Mittwochs wie auch freitags besucht sie nun regelmässig die Angebote des Netz4 und findet auch da in die Gemeinschaft und Solidarität der besuchenden Frauen hinein.

Wenn Claudia um 12 Uhr durch die Türen der Sunnestube wankt, hat sie oft bereits zwei Flaschen Whisky getrunken. Die Fraueziit ist für sie ein wichtiger Anker in ihrer Wochenstruktur. Hier kann sie duschen, ihre verdreckten Kleider wechseln und waschen lassen. Sie schläft jeweils auf den Strassen mit einer Gruppe von Männern und entzieht sich jeglichem Hilfesystem, obwohl sie Zugang dazu hätte. Ihre Freiheit ist ihr ein hohes Gut, dafür nimmt sie die Strapazen des Lebens ohne Obdach auf sich. Die Betreuerinnen in der Fraueziit sind wichtige Ansprechpersonen für sie, denen sie so Manches anvertrauen kann.

Vrishti ist elegant gekleidet, niemand würde bei ihrem Anblick die Obdachlosigkeit vermuten. Der 67-jährigen wurde nach 20 Jahren Wohnen in der Innenstadt Zürichs die Wohnung gekündigt, eine neue gefunden hat sie nicht. Nun lebt sie in der Notschlafstelle. «Meine Wohnsituation setzt mir sehr zu», erzählt sie. Morgens muss ich die Notschlafstelle verlassen und kann erst abends wieder dorthin, dieses Leben und die ständigen Sorgen machen mich krank. «Ich habe mich schon auf viele Wohnungen beworben, aber mit meiner Hautfarbe und mit der geringen Rente, die ich erhalte, gibt es wenig Hoffnung, in nützlicher Zeit eine gute Wohnsituation zu finden.» Wir triagieren Vrishti zu einer Beratungsstelle, wo sie vertiefte Hilfe bekommen kann.

Eine ermutigende Begegnung hatte ich mit einer jungen Frau, die allein und schwanger aus Südeuropa in die Schweiz gereist ist und die ersten Nächte auf der Strasse übernachtete. Sie verbrachte den Tag in der Fraueziit und war sehr dankbar, dass sie bei uns duschen und ihre Kleidung waschen konnte. Wir sprachen sie auf ihre Schwangerschaft an und konnten ihr erklären, wo sie gynäkologische Hilfe in Anspruch nehmen kann. Als ich am Schluss des Tages die Türen schloss, umarmte sie mich freudestrahlend und sagte: «Ich kann euch gar nicht genug danke sagen, für das, was ihr mit eurem Angebot bewirkt. Ich konnte den Tag in Sicherheit verbringen, duschen, warm essen und meine Kleidung waschen. Von einer schmutzigen Landstreicherin habe ich mich wieder in eine hübsche Lady verwandelt. Ich habe von euch so viel Freundlichkeit und Liebe erhalten. Das hat mich tief berührt. Ich habe erfahren, wo ich medizinische Hilfe für meine Schwangerschaft erhalte, und habe Frauen getroffen, mit denen ich mich vernetzen kann und die mich jetzt mitnehmen zu einem Schlafplatz.»

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